Geschichte

„… Und sein das die Mayer, die auf sellig abred Im anfang schaff überkomen haben…, die haben fügenlich in iren gemainen costen, zu Kalckweyl bey sant Jörgen ein schaffhaws zymern, uffrichten und machen lassen, darin die schaff enthallten, und der Scheffer gehörbergt werden mag….“ 

So ist es in einer Urkunde vom 16. Oktober 1522 zu lesen, mit der die Kalkweiler Maier sich untereinander absprachen, in Kalkweil mit der Schafzucht anzufangen. Fünf von ihnen sollten die Schafhaltung mit je 14 alten und jungen Schafen beginnen, die übrigen fünf Maier würden über kurz oder lang ebenfalls mit der Schafhaltung beginnen. In der Anfangsphase aber sollten letztere den anderen die „costen der schaff halb helffen tragen.“ Sie mussten sich damit u. a. auch an den Baukosten für das gemeinsame Schafhaus beteiligen, das sie ja künftig mitbenutzen würden. Das war der Anfang des Gebäudes.

Die glücklich abgeschlossene Sanierung nach einem gelungenen Umbau konnte im Spätsommer 2005 gefeiert werden. Dass das noch 1988 bewohnte, zuletzt aber ungenutzte und sehr heruntergekomme Gebäude saniert werden konnte, anstatt wie vorgesehen abgebrochen zu werden, verdankt es dem Umstand, dass es 1991 auf Grund seiner erst damals genau erforschten Geschichte die Denkmaleigenschaft zugesprochen bekam und dass sich eine Nutzung fand, die die Zukunft des Kalkweiler Schafhauses sicherstellen konnte. Das Vorhandensein des Schafhauses neben der Kalkweiler St. Georgs-Kapelle aus dem 14. Jahrhundert ist nur zu verstehen, wenn man die Geschichte Kalkweils kennt.

Kalkweil war ein Dorf, das seit dem 7. nachchristlichen Jahrhundert nachweisbar ist, gegründet in den Ruinen eines römischen Gutshofs, einer Villa rustica- und zu Anfang des 15. Jahrhunderts als Siedlung zu bestehen aufhörte. In den unruhigen Zeiten um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert hatten sich die Dorfbewohner nämlich hinter die sicheren Stadtmauern des nahegelegenen Rottenburg zurückgezogen. Die Häuser des kleinen, aber wirtschaftlich gutsituierten Dorfes, das um 1394 noch zwischen 55 und 70 Einwohner gehabt hatte, verfielen zwar nach und nach.

Die große Dorfmarkung aber blieb als selbständige Einheit erhalten und ging erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in der Rottenburger Stadtmarkung auf. Der Flurname „Hofstättle“ für die Grundstücke nördlich von Kapelle und Schafhaus zu beiden Seiten der Straße nach Remmingsheim erinnert wie die Kapelle selber bis heute an das abgegangene Dorf. Die Grundstücke der Markung – überwiegend fruchtbares Ackerland mit nur wenigen Wiesen – umfassten eine Fläche von über 1000 Morgen (= ca. 330 ha); dazu kamen noch rund 130 Morgen Wald in der Dölle in Richtung Obernau. Diese beträchtliche Markungsfläche mit ihren drei Zelgen war in zehn Lehen aufgeteilt; dies dürfte der Anzahl der Höfe des alten Dorfes entsprechen. Die Grundstücke von neun dieser  „Höfe“ waren an Rottenburger Bürger als Lehen ausgegeben. Der Spital, dem der zehnte „Hof“ gehörte, bewirtschaftete ihn in Eigenregie. Die jeweiligen Grundstücke eines Lehens konnten innerhalb der Familien der Maier vererbt werden; sie waren mit Zustimmung des Lehensherrn aber auch ganz oder in Teilen verkäuflich, wobei sich die Käufer ihrerseits damit belehnen lassen mussten.

Die Gesamtheit der neun Lehensträger bildete die Kalkweiler Maierschaft. Die Maier waren Inhaber der alten Dorfrechte, die in der eingangs erwähnten Urkunde von 1522 so definiert wurden: Maier ist, wer berechtigt ist, am „tyng“, d.h. am Maiergericht, teilzunehmen, wer „Holz und Veld“, d.h. Wald, Äcker und Wiesen in Kalkweil besaß, dort also Träger eines Lehens war, wer die Güter der Grundherren „versah“, d.h. bewirtschaftete und jene, die „den Haylgen helffen verpflegen zu Kalckweyl“, d.h. die zum Unterhalt der Georgskapelle beitrugen. An der Spitze der Maier stand der aus ihren Reihen gewählte Schultheiß. Er vertrat die Maierschaft nach außen, vor allem gegenüber der Stadt und der Herrschaft, und war Vorsitzender des Maiergerichts, des bis 1751 bestehenden alten Dorfgerichts. Aus den Reihen der Maier kamen die Untergänger, d.h. die für Grundstücksangelegenheiten zuständigen Feldrichter. Von den Maiern angestellt und besoldet waren die Schützen, d.h. die Feldhüter, aber auch die Hirten für Vieh und Schafe der Maier. Die exklusive Kalkweiler Maierschaft setzte sich ausnahmslos aus Rottenburger Bürgern zusammen, die in der Stadt wohnten und dort ihre Ämter ausübten bzw. ihren Geschäften nachgingen. Wie alle anderen Bürger waren sie der Stadt „mit Eiden und Pflichten unterworfen“. In Kalkweil aber waren sie die Herren und konnten als Inhaber der alten Dorfrechte auftreten und obrigkeitlich handeln, Feldfrevel bestrafen usw.

Nachdem die Maier von 1522 an mit dem Aufbau einer eigenen Schafherde begonnen hatten, gehörte auch ein Schafmeister zu den Kalkweiler Amtsträgern – für dieses Amt wurde stets ein sachkundiger Maier bestimmt. Die Schafherde wuchs nun kontinuierlich an und um 1730 zählte sie bereits um die 1000 Schafe. Für sie war das Schafhaus bestimmt, dessen Bau 1522 errichtet wurde und in dessen Ostteil sich von Anfang an die Wohnung des Schafhirten befand.

Es scheint übrigens, dass das Schafhaus von 1522 nicht das erste Bauwerk war, das in Kalkweil diesem Zweck diente. Im Spital- Lagerbuch von 1474 ist nämlich vom „Schafhaus an der halden by der Kirchen“ zu Kalkweil die Rede! Dieses alte Gebäude, vielleicht noch aus den Zeiten des früheren Dorfes stammend, wird durch fehlende Nutzung ruinös geworden sein; wahrscheinlich gab es auch keine Kalkweiler Schafherde mehr, so dass die eingangs erwähnte Urkunde von 1522 einen doppelten Neubeginn anzeigt: eine neue Schafherde in einem neuen Schafhaus!

Das heutige Schafhaus ist im Kern, in den Außenmauern, noch dieser Bau von 1522; der Dachstuhl aber stammt seiner Form nach wohl aus dem 18. Jahrhundert. Auf einem früheren, jetzt magazinierten Altarbild aus der Kalkweiler Kapelle, das um 1790 entstand, ist im Hintergrund der Drachentötungsszene mit dem Heiligen Georg Kapelle und Schafhaus von Kalkweil dargestellt. Beide Gebäude sahen damals schon genauso aus wie in unserer Zeit.

Wohl um 1830/40 wurden die Fenster der Hirtenwohnung vergrößert, wie an den Haustein- Fensterumrahmungen aus Wendelsheimer Schilfsandstein deutlich abzulesen ist. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde die ehemalige Kalkweiler Dorfmarkung durch Verkäufe, Erlöschen von Lehensverhältnissen und ähnliche Ursachen nach und nach Teil der Rottenburger Stadtmarkung. Parallel dazu löste sich die Kalkweiler Maierschaft auf und die alten Dorfrechte erloschen. Das bisherige maierschaftliche Schafhaus wurde städtischer Schafstall.

So erinnert in unserer Zeit nur noch die St. Georgskapelle aus dem 14. Jahrhundert an das kurz nach 1400 abgegangene Dorf Kalkweil, während das Schafhaus von 1522 das letzte sichtbare Zeugnis der früheren Kalkweiler Maierschaft ist.

Zu Beginn der 90iger Jahre war das Haus in einem schlechten Bauzustand, sodass ein Abbruch in Erwägung gezogen wurde.

Ebenfalls zu dieser Zeit entstand in der katholischen Kirchengemeinde St. Moriz der Wunsch nach einem Haus für Kinder- und Jugendgruppen. Mit dem ehemaligen Schafstall konnte ein geeignetes Objekt zur Realisierung des Wunsches gefunden werden. Im Jahr 1995 wurde dann ein entsprechender Vertrag mit der Stadt Rottenburg geschlossen werden, welcher der Katholischen Kirchengemeinde das Haus zur Sanierung und anschließendem Betrieb überlässt.

Zur Umsetzung der Modernisierung wurde am 13. März 1995 der Verein Haus Kalkweil e.V. gegründet.

Im Rahmen einer zehnjährigen Bauzeit wurde das Haus in mehr als 22.000 überwiegend ehrenamtlich geleisteter Arbeitsstunden vom Verein umfangreich saniert und für den neuen Zweck entsprechend modernisiert. Neben den Arbeitsstunden wurden folgende Materialien verwendet:

  • 2.100 m Wasser- und Abwasserleitungen
  • 190 m³ Fertigbeton und mehr als 21.5 Tonnen Zement
  • 2 Tonnen Baustahl
  • 181 Tonnen Sand- und Kiesgemisch
  • 214 m PVC Rohre sowie 100 m Kabel
  • 40 m³ Holz
  • 222 Hohlblock-Steine
  • 650 m³ Dämm-Material

Wie bereits erwähnt, konnte das Haus nach den Sanierungsarbeiten im Spätsommer 2025 eröffnet und die Nutzung als Jugend- und Freizeithaus begonnen werden.

Dass dieses Kulturdenkmal so geglückt saniert und neuer Zweckbestimmung zugeführt werden konnte, verdient Dank und Anerkennung all derer, die sich Kalkweil und seiner Geschichte verbunden wissen. Insbesondere dankt der Verein allen Spendern sowie ehrenamtlichen engagierten Jugendlichen, Rentnern und zahlreicher Firmen.

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Heute zählt der Verein zählt heute rund 150 Mitglieder. Dem vierköpfigen Vereinsvorstand obliegen die Vertretung des Vereins nach außen sowie laufende Administration, wie Mietverträge, Zahlungsverkehr und allgemeiner Schriftverkehr. Der Ausschuss setzt sich aus 20 Mitgliedern zusammen. Neben strategischen Aufgaben organisiert dieser die laufende Gebäudeunterhaltung, die Außenanlagen-Pflege sowie die Abwicklung der Vermietung des Hauses.

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